Joseph von Nazareth war Handwerker, ein Zimmermann, der mit dem Gebrauch seiner Hände seinen Lebensunterhalt verdiente. Sein Leben verlief in beschaulichen Bahnen. Träume wie wir sie heute kennen, leistete er sich vermutlich nicht. Das sich Sehnen nach unerfüllten Dingen jenseits einer religiösen Ebene kam erst spät, mit den Bewegungen von Aufklärung und Romantik im 18./19. Jahrhundert, in Mode. Joseph tut was die meisten Männer damals taten, er arbeitet, er heiratet eine Frau. Was er nicht weiß: mit der Ruhe seines geordneten Lebens wird es fortan vorbei sein. Maria, selbst nichtsahnend, ist zu Großem auserkoren. Sie trägt ein Kind unter ihrem Herzen, das nicht von Joseph stammt.
Seine erste Reaktion ist menschlich: er wird Maria verlassen. Doch dann der Traum, den er nicht beiseite wischt, sondern den er annimmt als Wegweiser Gottes. Auch er ist zu Großem auserwählt. Dramatisch verläuft sein Leben fortan: Vertreibung, Flucht, Heimatlosigkeit, Exil in Ägypten, später die Rückkehr. Joseph nimmt all die neuen Wege an, denn nicht nur sein Leben, auch das von Frau und Kind stehen auf dem Spiel. Joseph wächst über sich hinaus. Die entscheidenden Wendungen in seinem Leben meistert er mit traumwandlerischer Sicherheit.
Das neue Poster findet in den Abbildungen romanischer Schnitzkunst aus der Kirche St. Maria im Kapitol in Köln die geeignete Formensprache (Foto: Ernst Herb / Gestaltung: Gottfried Pott): Klar, einfach, unverstellt, ganz so, wie Joseph sich seiner neuen Aufgabe stellte. „Was geschähe, wenn wir den neuen Wegen trauten, die Gott uns weist in unseren kühnsten Träumen...“ (Text: Inge Müller). Die „kühnsten Träume“ beziehen sich in dieser Frage gewiss nicht auf egoistische Selbstverwirklichungsgedanken. Nicht das große Auto, die teure Fernreise oder der kostbare Schmuck sind gemeint. Nein, gemeint ist das Sich-Einlassen auf etwas, das in das bis dahin überschaubare Leben eines jeden treten kann. Ein so unendlich kostbares Geschenk wie ein Kind.
(Pressetext: Ulrike Maria Haak)