Das Schiff will gelenkt werden
Ein Schiff, verloren im Sturm, die Mannschaft hat den sicheren Tod vor Augen, ruft in letzter Verzweiflung den schlafenden Jesus zur Hilfe, der die Wogen glättet – Mehr als tausend Jahre alt ist die Abbildung aus dem Hidla Evangeliar, die das soeben erschienene Poster der action 365 ziert (Gestaltung: Gottfried Pott). „Warum habt Ihr solche Angst? Wo ist Euer Glaube?“, ruft Jesus seinen Jüngern zu.
„Macht die Fenster auf, lasst frische Luft und den Geist unserer Zeit in diese altehrwürdigen Mauern!“, rief Papst Johannes XXIII im Jahr 1959 in einer Rede vor Beginn des Zweiten Vatikanischen Konzils, aus. Das zweite Vatikanische Konzil, einberufen von Papst Johannes XXIII, hat Grundsteine gesetzt, die für die Kirche in den vergangenen vier Jahrzehnten von großer Bedeutung waren. Johannes XXIII hatte Mühe, das Konzil mit dem Ziel der Erneuerung, des Heutigwerdens (Aggiornamento) der Kirche gegen konservative Kräfte im Vatikan durchzusetzen. Die geöffneten Fenster - ein Bild für die Erstarrtheit der Kirche in dieser Zeit. Nicht das Wegsperren, ignorieren gesellschaftlicher Entwicklungen, sondern das Sicheinlassen auf Neuerungen, die Auseinandersetzung mit dem Geist der Zeit.
Die Rechte jedes einzelnen Christen wurden durch das Zweite Vatikanische Konzil gestärkt. Jeder sollte Verantwortung übernehmen, Gewissensforschung betreiben, seine Meinung zum Wohl der Kirche erklären. Eine ungeheure Macht drohte den Konservativen in dieser direkten Ansprache der Gläubigen: wie der Sturm, den die Jünger bei der Überfahrt über den See erleben. Voll Todesangst wenden sie sich an den schlafenden Jesus. Und Jesus tut genau das, was Johannes XXIII von seiner Gemeinschaft der Gläubigen erwartet: er fordert die Jünger auf, Ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, zu handeln. „Warum habt Ihr solche Angst? Wo ist Euer Glaube?“
Das winzige Schiff im Sturm auf hoher See ist keine Nussschale, in der wir furchtsam verharren, sondern es will gelenkt werden, von einer gläubigen Gemeinschaft im Vertrauen auf Jesus. Die Errungenschaften des Zweiten Vatikanischen Konzils sollte die Kirche von heute gerade in Zeiten der Verunsicherung verteidigen als sichere Basis einer selbstbewußten christlichen Gemeinschaft auf dem Weg in die Zukunft.
(Text: Ulrike Haak)