„Tun was uns eint“ stand 1964 in dicken, schwarzen Lettern unter dem Titel „Ökumene“ und einem großen, symbolisch gespalteten Holzkreuz. Mit diesem Plakatmotiv, einem der ersten der noch jungen action 365, war es in der Welt, das einprägsame Wort zur Ökumene. Es brachte so treffend zum Ausdruck, wonach sich viele Christen damals sehnten: Tun statt nur reden, einander vertrauen statt misstrauen, sich gemeinsam sozial engagieren auf Grundlage der schlichten, einigenden Friedensbotschaft des Evangeliums. Es ging den ökumenischen Teams der action 365 um den praktisch gelebten Glauben, der durch das Tun für sich und andere spürbar wird. Ein Glaube, der sich an den Gemeinsamkeiten orientiert und daran erstarkt.
„Tun was uns eint“ – 2017, gut ein halbes Jahrhundert später, im großen Gedenkjahr an 500 Jahre Reformation, stehen diese Worte als Jahresmotto erneut im Zentrum der Arbeit der action 365 – und im Zentrum des aktuellen Posters (Gestaltung: Gottfried Pott). Viel ist seither erreicht worden: das Miteinander der Konfessionen ist in vielen Gruppen und Gemeinden heute selbstverständliche Realität. Kurienkardinal Walter Kasper sagte vor wenigen Tagen, „die Einheit aller Christen“ sei „in absehbarer Zeit möglich“, die theologischen Differenzen seien lösbar. Auch von den damaligen wichtigen gesellschaftlichen Aufgaben konnten viele erfolgreich gemeistert werden – die traumatische Kriegskatastrophe wurde überwunden, manche Wunden geheilt, Stabilität und Wohlstand in der Bevölkerung vermehrt. Wie die Buchstaben des Titelslogans sind die Gesellschaft und ihre Lebenskonzepte bunt geworden, Frieden und Freiheit zu einem selbstverständlichen, allzu selbstverständlichen Gut.
Denn obgleich die beiden großen christlichen Konfessionen ihre Spaltung weitestgehend überwunden haben, schwindet doch die Bedeutung ihrer Botschaft zusehends in einer säkularisierten Gesellschaft, die weit stärker von egoistischem Gewinnstreben und ängstlicher Besitzstandswahrung angetrieben zu sein scheint als von Barmherzigkeit und Nächstenliebe. Ursprünglich auf die konfessionelle Einheit gemünzt, sind das „Tun“ und die „Einheit“ nun in einem weiteren Sinne auf den Feldern von Politik, Gesellschaft und Privatleben zu verstehen.
Und hier ist „zu tun was uns eint“ notwendiger als je zuvor: Täglich ist von der „Entsolidarisierung“ der Gesellschaft nicht nur zu lesen, sondern bei genauem Hinsehen ist diese bereits erschreckend oft zu erleben. Ein neuer, weiter gefasster Begriff von Ökumene ist das Gebot der Stunde, worauf die Text-Bild-Seite des Posters mit einem Zitat von Richard von Weizsäcker verweist: „Erst wenn wir uns einander ganz und ernsthaft annehmen, nähern wir uns dem tieferen Sinn von Einheit.“ Die ethischen Grundlagen einer solchen Ökumene – Menschlichkeit, Toleranz und Respekt vor dem Individuum – können zum Rüstzeug werden für ein breites Bündnis über gesellschaftliche Schichten und Grenzen hinweg. Für eine Art „neue Laienbewegung“, die die Weichenstellungen für die Zukunft nicht allein mächtigen Eliten überlässt, sondern aufeinander zugeht, sich einmischt, gemeinsame Werte formuliert und vertritt. Und so tun sich Wege auf, im Sinne des ebenfalls zitierten Martin Luther King neu zu lernen, „wie Brüder zu leben“.
Text: Eva Krautter