Es ist beunruhigend: weltweit scheinen Vernunft und Nächstenliebe auf dem Rückzug, weltweit bekommen autoritäre Parteien mit rechtsextremen Tendenzen Zulauf. Ob in Europa oder in den USA, unter dem neuen alten Präsidenten Trump – das Thema Einwanderung taugt zur Stimmungsmache gegen „die Anderen“. Gegen Menschen, die ihre Heimat verlassen, weil sie dort in Gefahr sind oder keine Perspektive haben, und Schutz und eine sichere Zukunft in der Fremde suchen. Sie werden nicht als Bereicherung für unsere Gesellschaft gesehen, als zukünftige Mitbürgerinnen und Mitbürger, sondern als Bedrohung. Kein Wahlkampf, in dem Politiker oder Politikerinnen nicht das Thema Migration als Abschreckung im Munde führen und die Stimmung weiter aufheizen. Je weiter die Grenze des Sagbaren aufgeweicht wird, umso radikaler werden die Tendenzen gegen Einwanderung. Ja, sogar von „Remigration“ von Menschen mit Migrationshintergrund ist bei der AfD die Rede.
In diese aufgewühlten Zeiten passt das Jahresmotto der action 365: „Zusammenleben ermöglichen“. Ein positives Signal, das auch die Gestaltung des aktuellen Posters bestimmt: Buntgekleidete Figuren formen einen Halbkreis, in dessen Mitte es golden glänzt. Die Künstlerin Juliane Wanner entwirft das Bild eines Miteinander und Füreinander, ein lebendiges Zusammenleben, geprägt von Gastfreundschaft und gegenseitigem Respekt. Eine solche Gemeinschaft kann Wertvolles hervorbringen.
„Vergesst die Gastfreundschaft nicht; denn durch sie haben einige, ohne es zu wissen, Engel beherbergt.“ Das Zitat aus dem Hebräerbrief ist ein schönes Gleichnis dafür, wie bereichernd und erfüllend es ist, jemanden willkommen zu heißen. Und es verweist auf die Gegenseitigkeit einer solchen Begegnung. Es ist nicht nur ein Geben, sondern auch ein Nehmen. Menschen, die fremd in unser Land kommen, sind in der Mehrzahl daran interessiert, sich in diese Gesellschaft einzubringen, sobald sie die Barrieren der Bürokratie und des Sprachlernens überwunden haben. In vielen Branchen werden Fachkräfte dringend benötigt, gerade auch in der Krankenpflege. Es gibt genug Erfolgsgeschichten von eingewanderten Menschen, die eine Berufsausbildung abgeschlossen haben und nun auf eigenen Füssen stehen können. Aber zuerst muss es da eine Kultur geben, die ihnen freundlich gegenübersteht und sie als das nimmt, was sie sind: Menschen in Not, denen man die Hand reichen sollte.
Geschockt von dem Ergebnis der Landtagswahl in Thüringen, bei der die rechtsextreme AfD stärkste Partei wurde, veröffentlichten Überlebende der Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora folgendes eindrucksvolles Statement: “Unser Kampf für eine pluralistische und respektvolle Gesellschaft muss fortgesetzt werden. Werte wie Frieden, Menschlichkeit, Brüderlichkeit und Offenheit sind der Kern dieser Gesellschaft; eine Gesellschaft, die Hass, Antisemitismus, Antiziganismus, Ausgrenzungen bekämpft; eine Gesellschaft, die sich erinnert, nicht aus Masochismus, sondern aus Liebe zu den Werten, die das Zusammenleben ermöglichen.“ Es ist erschreckend, dass im Deutschland des 21. Jahrhunderts solch ein Statement nötig ist. Dass Menschen, die vom nationalsozialistischen Regime aufs Schlimmste verfolgt und gefoltert wurden, die diese Schreckensherrschaft überlebten, heute bangen müssen, dass sich diese Zeit wiederholt. Wenn Verteidiger der Demokratie, wie der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, Morddrohungen erhalten, sind sie schon wieder am Gären, diese Zeiten. Umso dringlicher ist unser aller Einsatz für freiheitliche demokratische Werte, für ein Miteinander ohne Ausgrenzung, jetzt und überall. Auf Menschen zuzugehen, gemeinsam eine Zukunft ohne Hass und Misstrauen zu gestalten, ist jetzt notwendiger denn je.
Text: Ulrike Maria Haak