Nicht Gold, nicht ewiges Leben oder endlose Macht wünscht sich der junge König Salomo im ersten Buch der Könige von seinem Herrn, sondern ein hörendes Herz. Als Herrscher will er nicht über sein Volk regieren, sondern für die ihm anvertrauten Menschen da sein. Bescheiden und demütig stellt er all sein Menschsein in den Dienst einer höheren Macht. Er möchte hören, was Gott an Aufgaben für ihn bereithält, damit er seinen Dienst auf Erden so gut wie möglich erfüllen kann. Er möchte aber auch zuhören, wenn Menschen seiner Hilfe und Unterstützung bedürfen.
Die stärksten Bilder sind diejenigen, die scheinbar keinen Sinn ergeben: ein hörendes Herz, wie soll das denn funktionieren? Mit seinem Herz kann man fühlen, aber doch nicht hören!
Die Skulptur von Toni Zenz aus der Pax Christi Kirche in Essen ist das perfekte Sinnbild für ein hörendes Herz: alles an dieser Figur ist konzentriert auf das Wesentliche. Keine äußeren Zeichen lassen seine Herkunft, sein Amt, seine Rolle erkennen. Aber er selbst gibt ein Zeichen: er ist im wahrsten Sinne des Wortes ganz Ohr, ganz Herz: die Stellung seiner Arme und Hände, die er unterstützend an die Ohren legt, ergeben die Form eines Herzens. Er möchte nichts anderes sein, als ein Hörender, der sich die so empfangenen Worte zutiefst zu Herzen nimmt.
„Der größte Feind des Glaubens ist nicht der Unglaube, sondern die Unaufmerksamkeit.“ Das Zitat von Josef Pieper macht erschreckend deutlich, wie schnell die Chance vertan ist, zur richtigen Sache zu finden. Unaufmerksam sind viele in ihrem streng getakteten Alltag. Der Lehrer, der durch einen Moment der Unaufmerksamkeit die Chance vergehen lässt, einem Schüler aus einer persönlichen Krise zu helfen. Der Chef, der die privaten Lebenssituationen seiner Angestellten konsequent ignoriert. Die Eltern, die ihren Kindern keine Unterstützung sein können, weil sie keine Zeit mehr haben, ihnen zuzuhören.
Jemand der ernsthaft hinhört, nimmt den anderen überhaupt erst wahr, kann den anderen überhaupt nur verstehen, will sich überhaupt mit dem Gegenüber auseinandersetzen. Die schrecklichen Ereignisse überall auf der Welt ließen sich zumindest mindern, wenn mehr Menschen zu dieser Gabe bereit wären: der Gabe des aufmerksamen Zuhörens.
(Gestaltung: Gottfried Pott unter Verwendung einer Skulptur von Toni Zenz; Text: Ulrike Maria Haak)