Seit Monaten kommen jeden Freitag weltweit junge Menschen zusammen, um für Maßnahmen gegen den Klimawandel und damit für ihre Zukunft zu demonstrieren. „Fridays-for-Future“ heißt die Initiative eines jungen schwedischen Mädchens, Greta Thunberg, und auf ihre Initiative hin schwänzen Hunderttausende Jugendliche die Schule, verweigern sich dem vermeintlichen gesellschaftlichen Anspruch, widerspruchslos zu funktionieren.
Es ist an der Zeit, den Begriff Religion kulturell zu weiten. Es ist eine höhere Idee, die die jungen Menschen aktuell dazu bringt, sich den politischen Entscheidungsträgern entgegenzustellen. In diesem Sinne ist es eine Unterbrechung, die sie begehen, ein Zwischenruf nach Gerechtigkeit für folgende Generationen. Die Bewahrung der Schöpfung ist ihr Anliegen, und dies ist eigentlich eine zutiefst religiöse Überzeugung, auch wenn die jungen Menschen ihren Protest nicht in den Auftrag der Weltkirchen stellen.
„Religion ist Unterbrechung“, so der Titel des aktuellen Posters (Gestaltung: Christian von Struve), nach einem Zitat des politischen Theologen Johann Baptist Metz. Diese Feststellung ist auf den ersten Blick sperrig: Eine Unterbrechung ist zumeist eine ärgerliche Störung des allseits akzeptierten Ablaufs eines Ereignisses. Gesellschaftlich gesehen, sind Unterbrechungen in Form von Protesten und Demonstrationen die dringend nötigen Weckrufe innerhalb einer Demokratie. Und die Selbstbestätigung mündiger Bürger, in der Gewissheit, den Ablauf der Ereignisse beeinflussen, gar ändern zu können. Wenn Religion keine Unterbrechung mehr ist, dann ist sie eine Staatsreligion unmündiger, unterdrückter Bürger, in der der Mensch nur noch ein funktionierendes Wesen im Sinne des allmächtigen Staates ist. Religion sollte immer und überall die Freiheit sein, sich nach seinem eigenen Gewissen zu entscheiden. Diese Freiheit sollte sich jeder immer und überall nehmen können.
Von den neun Seligpreisungen der Bergpredigt Jesu aus dem Evangelium nach Matthäus zitiert das Poster fünf: die arm sind vor Gott, die keine Gewalt anwenden, die dürsten nach Gerechtigkeit, die Barmherzigen und die, die Frieden stiften, haben den Segen Gottes. So ist das Vorbild der Bergpredigt eine höchst moderne Art, Unterbrechung heutzutage zu leben. Und die „Fridays-for-Future“-Bewegung der jungen Generation ist eine Form, ein Beispiel, wie dies gelingen kann: Sie sind arm vor Gott, weil noch jung und ohne gesellschaftliche Macht, sie üben friedlichen Protest und keine Gewalt aus, sie kämpfen für generations-übergreifende Gerechtigkeit und sie wollen Frieden stiften für ausnahmslos alle Menschen.
(Text: Ulrike Maria Haak)