Ein Urlaub in Gambia, einem kleinen Staat an der Westküste Afrikas, das klingt natürlich besser in den Ohren, nach Abenteuer und Exklusivität, als die Ferien am heimischen Baggersee. Für die Urlaubswochen im exotischen Afrika fällt die Klimabilanz jedoch weit weniger günstig aus: Der Flieger bringt die Erholungssuchenden auf den Kontinent, vor Ort wird vielleicht noch ein Auto gebucht und Luxus im Resort gesucht, in das wiederum viele Produkte des täglichen Bedarfs eingeflogen werden müssen, weil sie vor Ort schlichtweg nicht zu produzieren sind, sei es aus klimatischen oder infrastrukturellen Gründen, oder weil der in Armut lebenden Bevölkerung schlichtweg das Know-How fehlt.
Das aktuelle Poster der action 365 nimmt sich, passend zur Jahreszeit, ein ambivalentes Thema vor: „Schützen wir, was wir bereisen?!“ – eine Frage, zugleich aber auch eine Aufforderung, bei der Ferienplanung nicht nur die eigenen Interessen zu sehen, sondern auch auf Umwelt und Probleme im Zielland zu achten.
Gedanken, die niemand gern bei der Urlaubsplanung mit einbezieht, denn schließlich gilt es ja, die „schönste Zeit im Jahr“ mit allen Mitteln auch zu einer solchen zu machen - und das noch im Wettbewerb mit Arbeitskollegen, Freunden und Verwandten. Und nicht zuletzt bedeutet, einen Urlaub zu buchen, viel Zeit und Stress. Stress, den man hofft, auf Knopfdruck im Feriendomizil abschütteln zu können, um dann gestärkt in den Arbeitsmarkt zurückzukehren. Leider klappt das meistens nicht. Denn Traumziele zu haben, Träume durch ein Urlaubsziel verwirklichen zu können – diese Gleichung geht vielfach nicht auf. Zu groß sind die Erwartungen, zu groß die Enttäuschungen.
„Die wahre Entdeckungsreise besteht nicht darin, neue Landschaften zu suchen, sondern mit neuen Augen zu sehen.“ Ein Zitat des französischen Schriftstellers Marcel Proust bringt das Thema des Posters auf den Punkt. Denn mit neuen Augen zu sehen, ohne Vorbehalte und Vorurteile, das gelingt nur mit Übung. Und die sollte schon zu Hause beginnen. Jeden Tag. Denn niemand kann sich selbst entfliehen, nur weil er eine vermeintlich spannende Urlaubsreise bucht. Die ungelösten Probleme und Schwierigkeiten lösen sich nicht in Luft auf, nur weil man im Flieger abhebt zu neuen Gefilden. „Mit neuen Augen sehen“ – das ist bei näherer Betrachtung eine wahnsinnig anspruchsvolle Aufgabe, die uns selbst weit voranbringt. Ohne dass wir dafür nach Afrika fliegen müssten.
Niemand sollte mit der moralischen Keule von seinen verdienten Urlaubsplänen abgehalten werden. Aber ein echtes Verständnis, ein Interesse für die Menschen vor Ort sollte vorhanden sein. Denn nur dann entwickeln sich fruchtbare Beziehungen, die Zeiten überdauern und den Reisenden vielleicht sogar zu einem Anwalt der Schwachen machen.
Text: Ulrike Maria Haak