Die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten, die wachsende Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft, die Unterwanderung politischer Proteste mit rechtsextremem Gedankengut, die zunehmenden antisemitischen Tendenzen und Taten mitten unter uns: all diese Ereignisse und Entwicklungen lassen den Mut sinken, und damit auch die Hoffnung, dass es durch das eigene Zutun und Handeln auch wieder eine Wendung zum Besseren geben kann.
Befördert wird diese Mutlosigkeit durch eine Diskussionskultur, die keine mehr ist, sondern eher ein gegenseitiges Niederschreien und Verächtlichmachen, auch durch die Entwicklung in den sozialen Medien. Positionen und Meinungen, die sich immer weiter voneinander weg entwickeln, ins Extreme gehen, ohne Kompromissbereitschaft auf ihren Standpunkten beharrend - wie soll man da vermitteln können?
In diesen Zeiten ist die Tugend der Zivilcourage gefragt. Auf dem aktuellen Poster der action 365 leuchtet das Wort in großen, verschiedenfarbig-bunten Buchstaben aus dem gräulichen Hintergrund heraus (Gestaltung: Florentine Heimbucher). Die couragierte Tat eines einzelnen Menschen wird zum Vorbild anderer, die dann möglicherweise ebenfalls den Mut beweisen, für ihre Überzeugungen einzutreten, ohne sich von mutmaßlichen persönlichen Nachteilen abschrecken zu lassen. Die nebenstehenden Zeilen der Dichterin Maria Sassin nehmen Bezug auf die seit dem 12. Jahrhundert überlieferte Tat der Veronika, die Jesus auf dem Weg zur Kreuzigung mit einer kleinen Geste beisteht: Sie reicht ihm ein Tuch, damit er sein Gesicht trocknen kann. „Sie stand auf und stellte sich an seine Seite. Winzige Gesten der Solidarität reichen, die Flamme der Hoffnung zu nähren.“
Zivilcourage vor bald 2000 Jahren – die Solidaritätsbekundung mit einem von den römischen Machthabern zum Tode Verurteilten bedeutete Lebensgefahr. Aus diesem Grund leugnete Petrus zuvor drei Mal, Jesus gekannt zu haben. Aber eine Frau, so will es die sechste Station des Kreuzwegs, wagt den so einfachen wie mutigen Schritt und erleichtert Jesus wenigsten für wenige Minuten sein Martyrium. Sie sieht hin, sie verspürt Mitleid und hat den Mut, aktiv zu werden. Eine Geste der Menschlichkeit, die viel bewirkt und hoffen lässt, dass es immer wieder solche Taten gibt. Und eine zeitlose Geste, die wir heute genauso dringend brauchen wie damals. Es braucht keine großen Helden und Heldinnen des Alltags, es reicht, nicht wegzusehen und zu handeln, um diese Welt ein klein weniger gerechter und besser werden zu lassen. Situationen, in denen gerechtes, mutiges Handeln zum Schutz von Schwachen gefragt ist, gibt es genug. Für jeden und jede von uns, jeden Tag.
Text: Ulrike Maria Haak