Dieser Papst will ein Unbequemer sein. Das hat er von Anfang an gezeigt. Er mischt sich ein in aktuelle politische Fragen, lässt sich den Mund nicht verbieten, redet Klartext. Er weiß, er hat nicht genug Zeit in diesem Amt und er möchte sie umso besser nutzen für sein brennendes Anliegen: als Anwalt der Benachteiligten und Armen. Er kennt das Elend aus nächster Nähe, das Leben in den Favelas und Slums hat er erfahren. Denn als erstes Oberhaupt der katholischen Kirche stammt er aus Lateinamerika, einem der vernachlässigten Kontinente, auf dem sich die Gegensätze zwischen Arm und Reich in besonders krasser Form zeigen.
Papst Franziskus erzählt, wie er sich von Anfang an selbst in die Pflicht genommen sah, seine besondere Position als Papst aus Lateinamerika zu nutzen: „Bei der Wahl saß neben mir der emeritierte Erzbischof von Sao Paolo Kardinal Claudio Hummes – ein großer Freund! Und als die Stimmen zwei Drittel erreichten, erscholl der übliche Applaus, da der Papst gewählt war. Und er umarmte und küsste mich und sagte mir „Vergiss die Armen nicht!“ (vor Medienvertretern am 16. März 2013). Vor diesem Hintergrund ist die Wahl des Namenspatrons allzu verständlich, war doch auch Franziskus ein Anwalt der Armen.
„Die gerechte Verteilung der Früchte der Erde und der menschlichen Arbeit ist keine bloße Menschenfreundlichkeit. Es ist eine moralische Pflicht.“ Das aktuelle Poster (Gestaltung: Gottfried Pott) zitiert eine zentrale Forderung dieses Papstes, der sich mit seiner Unbedingtheit viele Feinde auch in Kirchenkreisen gemacht hat, diese Auseinandersetzung aber nicht scheut: Papst Franziskus löst den Gedanken der Nächstenliebe vom religiösen Glauben und appelliert an den konfessionsübergreifenden Gedanken der Menschlichkeit. Jeder soll sich in der Pflicht fühlen, seinen Teil zum Wohle der Armen und Benachteiligten beizutragen. Es ist nicht nur Sache der Kirche, ihrer Vertreter und der Glaubensgemeinschaft an sich, sondern eine über alle Grenzen hinausgehende Pflicht jedes Menschen, sich für die Schwachen auf dieser Welt zu engagieren. Damit stellt sich dieser Vertreter Gottes auf Erden ganz irdisch in die vorderste Reihe derer, die diese Pflicht erfüllen sollten. Durch Hinsehen, Mitfühlen und pragmatisches Handeln sollte auch denen ausreichend gegeben werden, die auf der Schattenseite des Lebens stehen.
„Es ist nicht gottgewollt, dass wenige immer mehr und viele immer weniger haben!“ Der Leitspruch des Posters unterstreicht diese Forderung eindringlich. Ein schicksalhaftes Hinnehmen des Status Quo, ein Verharren in der Ungerechtigkeit wäre das letzte, was diese Welt gebrauchen könnte. Ein Enthusiasmus wie ihn der Papst verströmt, sollte ansteckend sein und alle mitreißen, die sich noch auf ihre moralische Verpflichtung besinnen können. . Die tiefe Befriedigung in dem Bewusstsein, die Welt ein wenig gerechter gemacht zu haben, ist ein allzu gerechter Lohn dafür.
Text: Ulrike Maria Haak