Wir leben in schwierigen Zeiten: das Erstarken rechtspopulistischer Parteien und Meinungen in Europa ist auf einem historischen Höhepunkt. Seit den Gräueltaten des Nationalsozialismus in Deutschland hat es europaweit nicht eine solche Welle von altem Gedankengut in öffentlichen Diskursen gegeben. Rechtspopulisten berufen sich auf eine Definition des Begriffes „Volk“, die nach 1945 eigentlich für überwunden gelten sollte: allein die ethnische Zugehörigkeit zu einem Volk soll Hauptgegenstand der Politik sein. Doch was ist in diesen Tagen „deutsch“? Und wer sollte darüber befinden dürfen, wer „dazu“ gehört und wer nicht?
Vor diesem Hintergrund ist das Jahresmotto der action 365 für das Jahr 2020 hochaktuell: „Fürchte dich nicht! Rede nur, schweige nicht.“ Jeder und jede ist gefordert, aufzustehen, denn die Rechte der anderen zu wahren und zu beschützen heißt auch, die eigenen demokratischen Rechte zu schützen.
Das Ausgrenzen von allem was „anders“ ist, hat Konjunktur in unserer Gesellschaft. Dabei ist interessant, dass kaum je genau definiert ist, was „anders“ und was „normal“ ist. Und wenn es doch geschieht, dann mit dem altbekannten Vokabular aus der Zeit des Nationalsozialismus – es ist mittlerweile selbstverständlich geworden, sich des nationalsozialistischen Vokabulars zu bedienen, vor allem in den sogenannten Sozialen Netzwerken. Auf Twitter, Facebook & Co finden tagtäglich wahre Wortschlachten zwischen der neuen Rechten und demokratisch gesinnten Usern statt. Letztere resignieren nicht vor der ignoranten und selbstherrlichen Haltung der Rechtsgesinnten. Was an Häme und Schmutz dort über die Verfechter demokratischer Grundrechte ausgegossen wird, ist erschreckend. Im Schutz des Internets zeigen die Anhänger rechtspopulistischer Strömungen ihr wahres Gesicht, ihre wahren Überzeugungen, ergießen Hass auch auf Personen des öffentlichen Lebens. Doch wo hört die freie Meinungsäußerung auf und fängt die Verleumdung und Bedrohung von anderen Ansichten an? Hier gilt es, wachsam zu sein.
Es gehört ein starker Charakter und ein unerschütterlicher Optimismus dazu, jeden Tag aufs Neue den Kampf gegen Ungerechtigkeiten, Rassismus und Diskriminierungen jeder Art aufzunehmen. Und das nicht nur für sich selbst, sondern vor allem auch für andere: „Es bedarf des eigenen, persönlichen Mutes, die Stimme zu erheben, wo immer unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger wegen ihres Glaubens, ihrer Weltanschauung, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Volkszugehörigkeit oder ihrer sozialen Stellung ausgegrenzt, verächtlich gemacht, verspottet und tätlich angegriffen werden.“ Mit diesem Zitat der Bonhoeffer Gesellschaft erinnert das Poster zudem an einen der großen Widerstandskämpfer gegen die Nationalsozialisten. Dietrich Bonhoeffer stand immer für das Gute ein. Die Kraft, die Gelassenheit und die Zuversicht schöpfte er aus seinem Glauben heraus. Und als Johannes Paul II. nach seiner Wahl zum ersten Papst aus einem kommunistischen Land den Spruch „Fürchtet Euch nicht!“ aus der Apostelgeschichte wenige Tage nach seiner Wahl den Menschen auf dem Petersplatz zurief, da mag er damals besonders an seine Heimat Polen gedacht haben. Polen hatte damals noch ein kommunistisches Regime, war ein unfreies Land. Heute leben wir in Europa schon solange in Frieden, wie nie zuvor. Und doch ist es höchste Zeit, sich der Worte von Johannes Paul II. zu erinnern. Er hätte heute viele Gründe, sie wieder auszurufen, nicht nur in Europa, sondern überall auf der Welt.
Text: Ulrike Maria Haak