Flüchtlinge willkommen heißen
Wir erleben gerade, wie Deutschland weltweit gefeiert wird wegen seiner couragierten Willkommenskultur. In diesen Zusammenhang passt das Zitat auf dem aktuellen Poster: „Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten.“
Das ist eine hohe moralische Forderung. Sie wird aber sogleich nachvollziehbarer, wenn wir einmal überlegen, was wir eigentlich als fremd empfinden. „Mir ist dein Verhalten fremd“ – Sätze wie diese richten sich unter Umständen selbst an Familienmitglieder. Oder die einst vertraute Freundin, der einst vertraute Freund, die einem nach einem Schicksalsschlag fremd vorkommen.
Fremdheit ist das Gegenteil von Vertrauen. Daher kann einem selbst eine vertraute Person von einem Moment auf den anderen fremd erscheinen, wenn sie das Vertrauen verletzt, das wir in sie gesetzt haben. Umgekehrt kann einem eine ursprünglich unbekannte Person, selbst aus anderen Kulturkreisen, ungewohnt schnell vertraut vorkommen. So berichten es Anwohner einer kleinen nordhessischen Gemeinde, die 300 Flüchtlinge aufgenommen hat. Die Skepsis war erst groß, schon wegen der mangelnden Fremdsprachenkenntnisse, bei den vorwiegend älteren Einwohnern. Gleich nach den ersten Treffen ergab sich aber eine Art von Vertrautheit miteinander, so berichten sie in Radio-Interviews. Einheimische haben mittlerweile Patenschaften für Flüchtlingskinder übernommen.
Es ist immer ein Wagnis, auf jemanden zuzugehen. Die Angst, enttäuscht, gar betrogen zu werden schwingt bei neuen Bekanntschaften immer mit. Im Kleinen beginnen, in Gesprächen die Grundlage für gegenseitiges Vertrauen entwickeln – dann wirkt die Forderung, den Fremden als Einheimischen zu betrachten, schon nicht mehr so unerfüllbar. Und wer sich heimisch fühlt, hat eine Heimat gefunden, für die er da sein wird.