Die Kraft des Lichtes ermöglicht Leben. Ohne die wärmende Sonne wäre ein Leben auf der Erde nicht möglich. In der dunklen Jahreszeit des Winters macht sich die Sonne rar. Die Adventszeit ist daher wie die große Vorfreude auf das Fest der Geburt Jesu. Wir freuen uns auf Weihnachten, das Lichterfest, das Familie und Freundinnen und Freunde zusammenkommen lässt. Wie ein Licht am Ende des Tunnels, das Hoffnung spendet. Gemeinsam dann das Licht und die Zuversicht in die Welt bringen.
„Aus dem Himmel eine Erde machen. Aus der Erde einen Himmel. Wo jeder aus seiner Lichtkraft einen Stern ziehen kann.“ Die Zeilen der deutsch-jüdischen Lyrikerin Rose Ausländer (1901-1988) stehen im Mittelpunkt des aktuellen Posters (Gestaltung: Florentine Heimbucher). Aus ihnen spricht ein bemerkenswertes Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen. Sie traut sich und uns allen zu, dass wir das Himmlische, die Abwesenheit von allem Bösen, zumindest ein Stück weit schon auf Erden verwirklichen können. Jeder Mensch kann seine „Lichtkraft“, wie sie es nennt, schon zu Lebzeiten entfalten und für andere leuchten wie ein Stern. Und damit der Dunkelheit der Welt, aller Ungerechtigkeit, Schlechtigkeit und Böswilligkeit, etwas entgegen setzen. Mit „Lichtkraft“ könnten die verborgenen Talente, Wünsche, das Empfinden von Mitleid gemeint sein. So wie das Licht auf dem Poster schlagartig die Dunkelheit erhellt, so könnte die guten Seiten aller Menschen in Summe die Welt zu einer besseren machen.
Rose Ausländer hat im Ghetto des damals zu Rumänien gehörenden Czernowitz die nationalsozialistische Schreckensherrschaft überlebt. Versteckt in einem Keller, entging sie der Deportation in den sicheren Tod. Mut und Hoffnung werden ihr Kraft gegeben haben, diese schwere Zeit zu überleben. Der Mut, trotz einer scheinbar ausweglosen Situation aktiv zu handeln. Und die Hoffnung auf eine friedliche Zukunft, ohne Judenhass und Vernichtungskrieg. Czernowitz, die einstige Heimatstadt von Rose Ausländer, gehört seit 1991 zur Ukraine. Das Land, gegen das Russland einen Angriffskrieg führt. Nach Jahrzehnten des Friedens tobt in Europa wieder ein Krieg. Dazu ist aktuell der Hass auf Jüdinnen und Juden in Deutschland auf dem Vormarsch. Das Erstarken der rechtsextremen Partei AfD bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland zeigt eine gefährliche Entwicklung. Neonazis fühlen sich gestärkt und verbreiten ihr menschenfeindliches Weltbild.
Es gehört Mut dazu, alle Kraft einzusetzen für andere in Not. Ein Licht anzuzünden, das für andere leuchtet und ihnen wiederum Mut spendet und Hoffnung. Sei es für die Menschen in der Ukraine oder für unsere jüdischen Mitbürger und Mitbürgerinnen. Für unsere Nächsten, Freunde und Freundinnen oder Fremde in Not. Die Kraft unseres Lichtes, unser Eintreten für sie, gibt ihnen Hoffnung. Und lässt die Welt nach Rose Ausländer dem Himmel ein Stück weit näher kommen.
Text: Ulrike Haak