Zahlreiche kriegerische Auseinandersetzungen und Krisenherde erreichen uns tagtäglich über die Nachrichten. Und auch im Privaten tun sich Menschen oft Schreckliches an. Doch so gewiss wie diese grausame Realität wird auch wieder die Erinnerung an jenes Kind wach werden, dessen Geburt wir jedes Jahr zu Weihnachten feiern: Jesus Christus kam in die Welt als Sohn Gottes, als Lichtgestalt, als Hoffnung gegen die Hoffnungslosigkeit.
Am dunkelsten Tag, in der längsten Nacht des Jahres feiern Christen auf der ganzen Welt das Fest der Liebe. Das aktuelle Poster der action 365 zeigt ein Werk des russisch-jüdischen Künstlers Marc Chagall: aus tiefem Blau löst sich ein Engel, der Maria und ihren neugeborenen Sohn zu stützen scheint. „Er hat die Welt hell gemacht“, so lautet die erste Zeile eines Gedichtes von Karl Rahner. „Er hat die (…) grausame Nacht unserer Ängste und Hoffnungslosigkeit zur Weihnacht, zur heiligen Nacht gemacht.“ So eindrucksvoll die Verbindung von Gedicht und bildnerischer Darstellung, so eindrucksvoll ist auch die Entstehungsgeschichte des Chagall-Werkes: es ist eines von neun Kirchenfenstern aus der Kirche St. Stephan in Mainz.
Chagall schuf diesen Zyklus in den Jahren 1978 bis 1985, dem Jahr, in dem er mit 97 Jahren verstarb. Seine Schüler führten die restlichen Fenster aus. Eigentlich hatte der Künstler niemals mehr in Deutschland arbeiten wollen. Dass er es tat, und damit ein Zeichen der Versöhnung zwischen Deutschen und Juden setzte, ist einzig und allein dem rührigen Pfarrer der Kirche, Klaus Meyer, zu verdanken. Meyer, selbst als Sohn eines jüdischen Kaufmanns den nationalsozialistischen Schikanen ausgesetzt, setzte über Jahre hinweg seine ganze Überzeugungskraft, seinen ganzen Glauben in dieses Projekt. In der Verbindung von Freundschaft, großem Glauben und großer Kunst entstand dann etwas, das alle Jahrhunderte, alle Nächte der Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit überdauern wird. Jeder, der die Kirche betritt, ist überrascht von dem dunkelblauen Innenraum, der sich erhellt, sobald mehr Licht von außen einfällt. Durch die Dunkelheit erscheint das Licht, von oben grüßt das kleine Kind auf dem Arm seiner Mutter.
Ein wahres Vermächtnis, ein ewiges Weihnachten, zu dem jeder eingeladen ist, teilzunehmen und ein Zeichen zu setzen gegen die Dunkelheit in der Welt.
(Text: Ulrike Maria Haak)