Die dunklen Tage nähern sich unaufhaltsam und mit ihnen die Zeit, Lichter anzuzünden. Es ist eine Zeit der Besinnung, im wahrsten Sinne des Wortes: still zu werden und zur Ruhe zu kommen.
So wie die Geburt eines Kindes für jede Familie ein nie zu vergessenes Erlebnis, eine Zäsur ist: die Welt scheint aufzuhören sich zu drehen, alles andere wird unwichtig, nur dieses kleine neue Leben ist im Zentrum der Aufmerksamkeit. Ein Wunder.
Ein noch viel größeres Wunder ist die Geburt von Jesus, Gottes Sohn.
Das aktuelle Poster der action 365 (Gestaltung: Gottfried Pott) stellt eine einfache Weihnachtsszene in den Mittelpunkt: Maria und Josef, die Hirten und das göttliche Kind in der Krippe. Millionenfach reproduziert, fast ein Klischee – und doch: jedes Mal aufs Neue das Zeugnis eines Wunders.
Die staunenden, einfachen Hirten sind ergriffen von der strahlenden Wärme der göttlichen Güte in Gestalt des kleinen Kindes, das sein Licht scheinbar im Überfluss verströmt. Es ist geboren, um zu geben. Denn sein Leben ist vorbestimmt, den Menschen auf Erden Rettung zu bringen. Eine tröstliche Ruhe liegt über der Szenerie. Jeder auf dem Bild ist zutiefst ergriffen, froh, da zu sein, Zeuge sein zu dürfen von diesem Wunder. Das Strahlen des Kindes zeichnet sich auf den Gesichtern der betrachtenden Personen ab, verleiht ihnen eine überirdische Würde, unabhängig von Herkunft und Bedeutung. Sie haben sich eingelassen auf das Wunder dieser Weihnachtsnacht und tragen das Licht hinaus in die Finsternis der Welt.
„Lebt als Kinder des Lichts! Das Licht bringt lauter Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit hervor.“ Das Poster zitiert aus einem Brief des Apostel Paulus an die Gemeinde in Ephesos. Kinder des Lichts, so können sich alle die nennen, die durch die Taufe in den Bund mit Jesus eingetreten sind. Hin und wieder lohnt es sich, sich auf dieses Privileg zu besinnen. Es muss nicht gleich die ganze Welt gerettet werden, wenn wir das tun, es reicht schon, jeden Tag aufs Neue ein Zeichen zu setzen gegen die Dunkelheit der Welt. Und sei es noch so klein.
Aber nicht immer ist es einfach, in der Dunkelheit dieser Jahreszeit, gefangen in alltägliche Routine, Hoffnung und Zuversicht zu entwickeln. Besonders dann, wenn in schwierigen Situationen die Nähe zu Gott nicht mehr oder nur noch schwach zu spüren ist. Doch für eine Einsicht ist es nie zu spät. Ein Gedicht der Lyrikerin Hilde Domin mag dafür stehen:
„Nicht müde werden und dem Wunder leise wie einem Vogel die Hand hinhalten. Dem Wunder des Lebens“. Die Zeilen der 2006 verstorbenen Hilde Domin können für die Liebe Gottes stehen, die sich nicht nur in der Geburt seines Sohnes gezeigt hat, sondern jeden Tag aufs Neue erfahrbar ist. Wenn man bereit ist, hinzuschauen und zu staunen. Die Weihnachtszeit ist eine wunderbare Gelegenheit dafür, inne zu halten und diese existentielle Erfahrung auf sich wirken zu lassen. Jedes Jahr aufs Neue.
Text: Ulrike Maria Haak