Was ist da los? Weihnachten steht bevor, die Lichterkette hängt. Aber der Baum steht schief. Was hat das zu bedeuten? Das von Renée Schneider gestaltete Poster bricht mit unseren Sehgewohnheiten. Es zeigt, dass etwas in Bewegung geraten ist, dass etwas nicht auf geraden Wegen geht. Veränderung steht bevor, im Hier und Jetzt, ist möglich, nötig.
Weihnachten heißt: Gott ist Mensch geworden, ist in diese Welt gekommen und hat mit unseren Vorfahren zusammengelebt. „Uns ist ein Kind geboren“ - Hannah Arendt entdeckt in diesen Worten der Weihnachtsoratorien eine Zuversicht, die inspirierend wirkt, die Vertrauen schenkt und Hoffnung für die Welt. Sie erblickt ein Wunder darin, „dass überhaupt Menschen geboren werden, und mit ihnen der Neuanfang, den sie handelnd verwirklichen können kraft ihres Geborenseins.“
Handeln, bedeutet hier: sich verständigen und sich zusammentun, um ein gemeinsames Anliegen zu verwirklichen. Handeln heißt, die geteilte Welt zusammen zu gestalten. Diese Idee passt auch zur biblischen Botschaft: das Reich Gottes ist zwar noch nicht vollendet, aber bereits im Diesseits angebrochen.
Die große Hoffnung ist die Annahme, dass jede Geburt faktisch mit einem Neubeginn verbunden ist. Jedem Neuankömmling kommt das Vermögen zu, selbst neu anzufangen. Aus der Tatsache, dass Menschen geboren werden, folgert Hannah Arendt aber auch die Aufgabe, für die Zukunft zu sorgen. Leben und Welt sollen dem ständigen Zufluss von Neuankömmlingen, die als Fremde in sie hineingeboren werden, gewachsen sein und auf ihn vorbereitet bleiben.
Weihnachten gibt in einer Zeit sozialer Krisen Anlass, das Diesseits zu verändern, Geschichte zu machen und ihr nicht ein Ende zu machen.
Text: Jan-Hendrik Herbst