Lernen frei zu sein – auf den ersten Blick eine ungewöhnliche Kombination. Muss Freiheit gelernt werden? Kann man sie sich nicht einfach nehmen? Und wenn nicht, von wem können wir Freiheit lernen? Der diesjährige Leitspruch der action 365 wirft viele Fragen auf. Und beim Blick auf das aktuelle Poster zum Thema wird klar warum: noch nie war es für jeden Einzelnen so wichtig wie heute, die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Noch nie zuvor in der Geschichte der Menschheit war jeder Einzelne von uns in seinem familiären und sozialen Strukturen vermutlich so frei von anderen Zwängen, Regeln und Hierarchien. Kirche und Staat lassen den Menschen zumindest in den hochentwickelten, westlichen Industriestaaten relativ allein. Er kann selbst entscheiden, welchen Bildungsweg er geht, ob und wen er heiratet, welchen Wohnsitz er wählt. Zuviel Freiheit tut Menschen auch nicht gut, das wissen viele von uns vielleicht aus eigener Erfahrung, besonders jene, die Kinder haben. Lernen muss jeder Einzelne dagegen heute etwas anderes: mit der ihm übertragenen Freiheit verantwortungsbewusst umzugehen. Das richtige Maß an Freiheit für sich zu finden, funktioniert nur mit Hilfe anderer. Nicht umsonst sind heute viele Menschen auf der Suche nach einem höheren Sinn in Gemeinschaften – auch christlichen – organisiert. Ohne Mitmenschen, ohne Liebe, ist Freiheit eine Last.
Die kleinen Vögel im Nest schauen bewundernd auf zum großen Vogel, der mit seinen Flügeln schlägt und zur Nachahmung aufzurufen scheint (Gestaltung: Gottfried Pott). Bald wird es Zeit sein, das behütete Nest zu verlassen und eigenständige Wege zu gehen. Bezeichnend, dass das Plakat eine Illustration von Emil Wachter aus der Autobahnkirche Baden-Baden gewählt hat: ein Ort, der Menschen auf der Durchreise Ruhe und Kraft geben will. „Ohne den Geist der Kraft ist man außer Stande, zukunftsträchtig zu handeln“, so der Begleittext von Erzbischof Alfons Nossol. Schon vor zweitausend Jahren haben Menschen beim ersten Pfingstfest diese Erfahrung gemacht. Und viele von ihnen machten sich damals schon auf den Weg, um - mit den Worten von Bischof Nossol - „eine bessere, friedvollere Zukunft zu begründen.“
Freiheit bedeutet demnach nicht, frei von jeglichen Verpflichtungen und Grenzen zu sein. Freiheit heißt vor allem, nach seinen Möglichkeiten aus freiem Willen etwas weiterzugeben, mitzuarbeiten an jenem großen Ganzen, das Zukunft heißt.
(Text: Ulrike Maria Haak)