Einen Punkt setzen. Am Ende eines Satzes, um eine Aussage zu beschließen. Und um einen neuen Satz anzufangen. Die Stelle zwischen zwei Sätzen als Leerstelle begreifen und nutzen: Zwischen zwei verfeindeten Lagern vermitteln. Einen eigenen, ganz anderen Aspekt in die Diskussion einbringen und sie dadurch entschärfen. Einen Punkt oder Schlussstrich bei konträren Positionen setzen und sie neu interpretieren und hinterfragen auf ihre Sinnhaftigkeit. Diese Handlungen sind bewusst allgemein gefasst, auch wenn sich der Gedanke zu aktuellen gesellschaftlichen oder kirchlichen Konflikten aufdrängt.
„Einen Punkt setzen. Überraschend menschlich handeln“ – Das Jahresthema der action 365 auf dem neuen Poster (Gestaltung: Florentine Heimbucher) ist bewusst offen gehalten. Es ist die christliche Botschaft, menschlich zu handeln. Wir haben in vielen Situationen unseres Zusammenlebens die Chance, überraschend christlich, überraschend menschlich zu handeln. Denn jeden Tag müssen Entscheidungen gefällt werden, von der hochpolitischen bis zur rein persönlichen, alle Ebenen der Gesellschaft sind betroffen. Sei es, dass die Maßnahmen gegen die neue Corona-Variante besprochen werden müssen oder dass mein Handeln gefragt ist, nachbarschaftliche Hilfe zu leisten. Entscheidend ist, dass keine Routine das Handeln bestimmt. Routine, die Gewöhnung an eine Situation, geht auf menschliche Bedürfnisse nicht genug ein.
Was Ärztinnen und Ärzte, Pflegerinnen und Pfleger in der Pandemie geleistet haben und Tag für Tag aufs Neue leisten, ist kaum in Worte zu fassen. Hier hinter den zahlreichen Patientinnen und Patienten auch noch den einzelnen Menschen in seiner Einmaligkeit zu würdigen, ist eine fast übermenschliche Aufgabe. Und doch gibt es immer wieder Überraschungen: ein liebes Wort, ein Lächeln, ein Nachfragen außerhalb des eng getakteten Versorgungsplans. Menschen, die einen Punkt setzen hinter ihrem täglichen Aufgabenberg. Die sagen, bis hierher und nicht weiter, jetzt muss ich wieder von Mensch zu Mensch kommunizieren dürfen. Und die sich freuen, an der überschwänglichen Dankbarkeit, die eine solch überraschende Hinwendung zur Folge hat.
Das Gedicht des Schweizer Pastors und Dichters Kurt Marti bringt das Wirken Jesu in die heutige Zeit: „Ist einer nicht schon auf Wasser gegangen? Das macht ihm keiner nach. Jedoch, dass du, eine Nichtschwimmerin, gegen den Strom schwimmst, ist kein geringeres Wunder.“ Wenn wir also einen Punkt setzen, uns aus eingefahrenen Abläufen eine Auszeit nehmen, uns unseren Mitmenschen wirklich zuwenden, dann tun wir es Jesus nach. Auch wenn wir nicht über Wasser gehen können, so schwimmen wir wenigstens gegen den Strom. Auch wenn manche von uns es erst lernen müssen – es lohnt sich.
Text: Ulrike Maria Haak